28. März 2024

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Hamilton vor Saudi-Premiere: «Unser Sport muss mehr tun»

Platzierungen, Punkte und Siege sind im Formel-1-WM-Thriller zwischen Lewis Hamilton und Max Verstappen gefragt. In Saudi-Arabien ist abseits des Sports die Stimme des Briten besonders gefragt.

Über den Formel-1-Garagen von Lewis Hamilton, Max Verstappen & Co. in der Boxengasse von Dschidda stehen ihre Namen auch auf Arabisch geschrieben.

Die Königsklasse des Motorsports gastiert schließlich erstmals in Saudi-Arabien. Fragen nach dem Nervenduell um die WM-Krone bekamen vor der Grand-Prix-Premiere beim Nachtrennen an diesem Sonntag (18.30 Uhr/RTL und Sky) sowohl Verfolger Hamilton als auch Spitzenreiter Verstappen gestellt. Die vorzeitige Titelchance für den niederländischen Red-Bull-Piloten ist die sportlich elektrisierende Geschichte.

Es gibt aber Themen, die sind größer als eine Formel-1-WM. Fragen nach Menschenrechten und Freiheit in dem konservativen Königreich bekam nur der sozial und politisch engagierte Mercedes-Superstar Hamilton gestellt.

«Ich glaube wirklich, dass jeder Mensch Menschenrechte, Redefreiheit und Bewegungsfreiheit haben sollte, und es gibt Orte, an denen das nicht erlaubt ist», sagte der 36-Jährige, der sich wie kein anderer Formel-1-Fahrer dafür einsetzt.

Deutliches Unbehagen bei Hamilton

Hamilton freute sich über den warmen Empfang in Dschidda. Sein Unbehagen war aber deutlich. «Es ist nicht meine Entscheidung, hier zu sein. Der Sport hat die Entscheidung getroffen, hier zu sein», bemerkte der erste und einzige schwarze Formel-1-Pilot, der acht WM-Punkte hinter Verstappen liegt.

Hamilton wurde gefragt, ob die Kampagne der Motorsport-Königsklasse für mehr Vielfalt («We race as one») nicht einer Austragung des Rennens in Saudi-Arabien entgegenstehe. «Ich kann nicht so tun, als hätte ich das tiefste Verständnis für jemanden, der hier in einer Gemeinschaft aufgewachsen ist und von bestimmten Vorschriften betroffen ist», erklärte Hamilton. Dennoch: «Ich halte es für unsere Pflicht, das Bewusstsein für gewisse Themen zu stärken, vor allem Menschenrechte.»

Hamilton wird nach Katar auch in den beiden letzten Saisonrennen in Saudi-Arabien und Abu Dhabi seinen neuen Helm in Regenbogen-Lackierung tragen. Er möchte damit die LGBTQIA+-Community auf der Arabischen Halbinsel unterstützen. «Nur weil ich den Helm wechsle, wird das nicht die Welt verändern», räumte Hamilton bei Sky Sports ein. Er hoffe aber, Bewusstsein schärfen zu können.

LGBT ist die englische Abkürzung für lesbisch, schwul, bisexuell und Transgender. Oft werden auch die Varianten LGBTQ, LGBTQI oder LGBTQIA+ verwendet. Jeder Buchstabe steht für die eigene Geschlechtsidentität oder die sexuelle Orientierung.

«Unser Sport muss mehr tun»

«Wenn sich jeder die Zeit nehmen will, um zu lesen, was das Gesetz für die LGBTQ+-Gemeinschaft bedeutet, ist das ziemlich erschreckend», kritisierte Hamilton die Lage vor Ort drastisch und betonte: «Es muss sich viel ändern, und unser Sport muss mehr tun.» Homosexuelle Handlungen sind in Saudi-Arabien strafbar.

«Die saudische Regierung setzt alles daran, ihre ungeheuerlichen Menschenrechtsverletzungen unter öffentlichen Spektakeln und Sportereignissen zu begraben», sagte Nahost-Experte Michael Page von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW).

In Saudi-Arabien wurden seit 2017 laut HRW Dutzende politische Abweichler, Aktivisten für Menschen- und Frauenrechte und andere willkürlich festgenommen. Inhaftierte würden gefoltert und deren Familien kollektiv bestraft. Das Land erlebe unter Kronprinz Mohammed bin Salman, dem faktischen Herrscher des Königreichs, das «schlimmste Ausmaß der Unterdrückung in seiner modernen Geschichte».

Prinz Chalid bin Sultan al-Faisal, als Präsident des örtlichen Motorsportverbands verantwortlich für die Austragung des Grand Prix, hatte im Sommer erklärt: «Menschenrechte sind für uns sehr wichtig, nicht nur in Bezug auf die Formel 1, sondern auch in Bezug auf unser Königreich und die Menschen, die in Saudi-Arabien leben. Wir wollen die Lebensqualität für jeden unter Beweis stellen, für die Saudis selber und für jeden anderen, der Saudi-Arabien besucht.»

Die Formel 1 ist ein Geschäft. Angeblich rund 900 Millionen US-Dollar Antrittsprämie bekommt die Rennserie für zehn Jahre in dem Wüstenstaat. Sobald sich Länder wie Katar oder nun Saudi-Arabien «für das Scheinwerferlicht entscheiden, das die Formel 1 mit sich bringt, gibt es keine Ausreden mehr», sagte Formel-1-Geschäftsführer Stefano Domenicali vor dem Aufbruch in den Wüsten-Dreierpack zum Saisonende. «Sie haben den Weg des Wandels eingeschlagen.»

Veränderung brauche jedoch Zeit. «Aber ich denke, dass die Formel 1 die nötige Intensität besitzt, um sicherzustellen, dass der Fortschritt schneller erreicht wird, als es normal für diese Veränderungen nötig wäre.»

Von Martin Moravec und Johannes Sadek, dpa