2. Mai 2024

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Ferrari-Frust vor Monza-Heimspiel: «Tiefs sehr tief»

Monza ist ein Heiligtum der Formel 1. Ferrari hofft beim Heimspiel auf einen Glücksrausch. Charles Leclerc will die Tifosi zum Träumen bringen. Es gibt nur ein Problem.

Für seine Liebeserklärung an Ferrari hätte Charles Leclerc kaum einen besseren Ort als das Autodromo Nazionale Monza wählen können.

Der im Königlichen Park nördlich von Mailand gelegene Kurs ist ein Heiligtum der Formel 1, eine mythische Stätte des Motorsports und spirituelle Heimat der Scuderia-Fans. «Mein Traum war es immer, einmal für Ferrari zu fahren», sagte Leclerc vor dem Heimspiel des Traditionsrennstalls an diesem Sonntag (15.00 Uhr/Sky). «Mein erstes Ziel und oberster Traum bleibt es, die Weltmeisterschaft mit Ferrari zu gewinnen.»

Der Monegasse ist einer der Spitzenfahrer der Formel 1. Aber der gefrustete Leclerc wird auch in diesem Jahr nicht Weltmeister. Und eine Prognose verbietet sich für die chronisch hysterische Scuderia. «Wie in jedem Rennteam gibt es Höhen und Tiefen. Ich denke, bei Ferrari sind die Hochs sehr hoch und die Tiefs sehr tief», sagte Teamchef Frederic Vasseur und versuchte, die Stimmungsamplitude in Worte zu fassen. «Meine Aufgabe ist es, die Übertreibungen etwas abzumildern und zu versuchen, in der Herangehensweise etwas unbeirrbarer zu sein.»

Seit 1950 in der Formel 1 dabei

Nüchternheit und Sachlichkeit sind zwei Eigenschaften, die das Cavallino Rampante (aufbäumendes Pferd) im Logo nicht repräsentiert. Ferrari, als einziges Team bereits seit dem WM-Beginn 1950 in der Königsklasse des Motorsports vertreten, verkörpert Leidenschaft und Emotion.

Wie auch Monza. Der Hochgeschwindigkeitskurs mit einem Vollgasanteil von 80 Prozent, seit der Formel-1-Premierensaison 1950 fester Bestandteil des Rennkalenders, steht für Glücksrausch, aber auch Verderben. Alberto Ascari kam hier 1955 bei Tests ums Leben, Wolfgang Graf Berghe von Trips verunglückte sechs Jahre später bei einem Horrorcrash. Im Tempel des Tempos starb Jochen Rindt 1970 und wurde posthum Weltmeister.

«Wir wollen uns bei unseren Fans für ihre Unterstützung durch dick und dünn revanchieren. Wir nehmen uns eine großartige Show und ein Rennen vor, auf das wir stolz sein können», sagte Vasseur vor seinem ersten Heim-Grand-Prix als Teamchef von Ferrari.

Viel Arbeit für Vasseur

Der Franzose wurde erst Anfang dieser Saison von Alfa Romeo als Nachfolger des Italieners Mattia Binotto verpflichtet. Bis seine Arbeit samt Personalumbau greift, wird es dauern. Kurzfristig muss Vasseur auf die Stimmung einwirken. «Meine Aufgabe ist es, in Monza das beste Ergebnis zu erzielen. Dazu muss ich alle beruhigen. Ich muss nicht auf die Bühne gehen und Karaoke singen», sagte Vasseur vor dem Europa-Finale der Formel 1 und zielte auf das ungeduldige Ferrari-Umfeld ab.

«Nationalität und Größe» habe er mit Jean Todt gemeinsam, seinem französischen Vorgänger als Scuderia-Teamchef, der mit Michael Schumacher die erfolgreichste Ära des Rennstalls prägte. Diese liegt aber schon lange zurück. Letzter Fahrerweltmeister mit Ferrari ist Kimi Räikkönen 2007, der letzte Konstrukteurstitel glückte 2008.

Aktuell ist die Scuderia nur Vierter in der Teamwertung. Für die Tifosi ist das eine Ohrfeige. «Wir sind nicht in der einfachsten Situation», räumte Leclerc ein, was nicht zuletzt an dem aerodynamisch missratenen Wagen liegt. «In Monza kann aber alles passieren, die letzten Jahre haben gezeigt, dass nicht immer das schnellste Auto gewinnt.»

Konkurrenzfähiger beim Heimspiel?

Das schnellste Auto steuert Doppelweltmeister Max Verstappen mit Red Bull. Ferrari hofft, dass Leclerc und Teamkollege Carlos Sainz die Charakteristik Monzas mit extrem niedrigem Anpressdruck entgegenkommt. «Die Streckencharakteristik ist näher an der von Spa als an der von Zandvoort und Budapest, also sollten wir hier konkurrenzfähiger sein», erläuterte Leclerc. In Spa wurde der 25-Jährige Dritter, in Zandvoort baute er einen Crash.

Der letzte Formel-1-Sieg von Ferrari datiert aus dem Juli 2022. In Österreich gewann Leclerc, dem auch der letzte Monza-Heimsieg gelang – das war 2019. Damals fuhr er noch an der Seite von Sebastian Vettel – eine andere Zeitrechnung.

Im Königreich der Geschwindigkeit will Ferrari seine Fans versöhnen. Erst recht, nachdem der Grand Prix der Emilia Romagna in Imola im Mai wegen Unwettern abgesagt werden musste. «Ich habe eine spezielle Verbindung zu Ferrari», betonte Leclerc, dessen verstorbener Vater Hervé schon glühender Fan der Scuderia war. «Für Ferrari zu fahren, ist ein Traum.» Nicht in der jüngsten Zeit. Aber Leclerc weiß eben, was die Fans hören wollen.

Von Martin Moravec, dpa