28. März 2024

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Formel-1-Team entsteht: Druck bei Audi «von außen spürbar»

In einer oberbayrischen Renaissancestadt wächst das nächste deutsche Formel-1-Projekt. Audi entwickelt in Neuburg an der Donau einen Motor, der ab 2026 die Branche aufmischen soll. Kann das klappen?

Adam Baker ist auf der Mornington Peninsula aufgewachsen. Die Halbinsel mit ihrem Küstencharme und ihrer Weinlandschaft ist ein Naherholungsgebiet südlich der australischen Metropole Melbourne.

Bis vor wenigen Jahren ist die Formel 1 in der Hauptstadt des Bundesstaats Victoria noch traditionell in die neue Saison gestartet. Die Corona-Pandemie hat aber auch den Rennkalender durcheinandergewirbelt. Ob die Formel 1 bis 2026 zum Auftakt wieder nach Melbourne zurückkehrt? Für Baker wäre der Grand-Prix-Start mit Audi vor Familie und Freunden jedenfalls etwas ganz Besonderes. Der Formel-1-Projektleiter, der seit 2018 den deutschen Pass besitzt, fühlt sich aber längst in Deutschland heimisch.

«Für mich ist Bayern vor 15 Jahren zur Heimat geworden», erzählte Baker der Deutschen Presse-Agentur im Fahrerlebniszentrum von Audi, wo die Besprechungsräume nach Rennstrecken benannt sind. In Sebring, ein Kurs im US-Bundesstaat Florida, hat er Platz genommen. «München ist eine der schönsten Städte der Welt, die Stadt ist so international. Auf dem Land wiederum ist es anders. Wenn man das Dorfleben zum ersten Mal erfährt und sich dort wirklich integrieren kann, erlebt man, wie warmherzig die Menschen sind.»

Von Neuburg aus die Formel-1-Welt erobern

In Neuburg an der Donau, unweit vom Audi-Stammsitz in Ingolstadt, orchestriert Baker für den deutschen Autobauer das Formel-1-Projekt. In der oberbayrischen Renaissancestadt entwickelt die Volkswagentochter den Motor, das Chassis wird vom erfahrenen Schweizer Traditionsteam Sauber um den neuen Vorstandsboss Andreas Seidl gebaut. Ab 2026 startet Audi dann als Werksteam in der Formel 1.

Von 0 auf 100 (oder besser 300) soll es so schnell wie möglich gehen. «Wir haben uns für den Zeitraum 2026 bis 2030 eingeschrieben. Wir wollen in der Lage sein, nach drei Jahren um Siege kämpfen zu können», sagte Baker, der sich aber gleichzeitig auf eine schwierige Anfangszeit einstellt. «Man muss realistisch sein. Das erste und zweite Jahr kann auch hart werden. Es ist allerdings sehr schwierig, das vorauszusehen», räumte er ein.

Baker hat Maschinenbau in Melbourne studiert, später wurde er Motoreningenieur beim Formel-1-Motorenhersteller Cosworth, ehe er für BMW die Formel-1-Motorenentwicklung leitete. «Wir waren damals mit BMW-Sauber stolz, dass wir von Jahr zu Jahr unsere Performance verbessert haben. Wir sind im zweiten Jahr Zweiter der Konstrukteurswertung geworden und haben dann im dritten Jahr das erste Rennen gewonnen», erinnerte Baker an die Zusammenarbeit zwischen BMW und Sauber von 2006 bis 2009. «Ich persönlich habe das Gefühl, dass da noch eine Rechnung offen ist.»

Audi will in drei Jahren wettbewerbsfähig sein

Denn BMW vollzog damals abrupt den Ausstieg. Absatzprobleme wegen der Weltwirtschaftskrise und eine sportlich enttäuschende Saison 2009 ließen den Vorstand handeln. Damals war der aktuelle Audi-Boss Markus Duesmann Entwicklungschef. Siege oder gar der Kampf um den WM-Titel im ersten Jahr nach dem Einstieg seien «nicht realistisch», sagte Duesmann bei der Verkündung des Einstiegs im August in Spa. «Innerhalb von drei Jahren sollten wir sehr wettbewerbsfähig sein.»

Audi will die boomende Plattform Formel 1 für sich nutzen. Dass die Motorsport-Königsklasse nachhaltiger werden will, passt zum Selbstbild der Auto-Hersteller. Der Kostendeckel macht das milliardenschwere Wagnis außerdem planbarer. Dafür muss Audi, das den Einstieg fast zwei Jahre vorbereitet hat, jedoch schon zum Jahreswechsel die Bücher offenlegen.

«Wir stehen ab dem 1. Januar mit der Audi Formula Racing GmbH aufgrund des Cost Caps auf eigenen Beinen. Wir haben daher alle Aktivitäten in einer neuen GmbH gebündelt. Dadurch kann die Fia alle Kosten, die mit dem Formel-1-Projekt verbunden sind, erkennen und bewerten», erläuterte Baker, der Geschäftsführer dieser GmbH ist.

Seit 2021 gibt es in der Formel 1 einen Budgetdeckel. Dieser soll ein Wettrüsten unter den Teams ohne Rücksicht auf die finanziellen Ressourcen verhindern. Chancengleichheit und finanzielle Stabilität sind die Ziele. Von kommender Saison an dürfen Red Bull & Co. nur noch 135 Millionen US-Dollar (umgerechnet rund 127 Millionen Euro) pro Jahr ausgeben.

Ab 2026 gilt ein neues technisches Reglement

Der finanzielle Rahmen ist für einen Neuling wie Audi mindestens genauso wichtig gewesen wie das ab 2026 gültige neue technische Reglement. «Power-Unit- und Chassis-seitig wird es die größte Änderung im technischen Reglement seit 20 oder 30 Jahren. Das eröffnet größere Chancen, als Newcomer schneller konkurrenzfähig zu sein», sagte Baker.

Das Cost Cap sorge für einen fairen Wettbewerb. Die Herausforderung werde aber «so enorm sein wie noch nie in der Formel 1», befand Baker, der zuvor Sicherheitsdirektor beim Automobil-Weltverband Fia war. «Wenn man einen guten Job macht, besteht die Chance, dass man 2026 gleich vorne mitkämpfen kann.»

Die Branchenführer Red Bull, Ferrari und Mercedes beanspruchen die Spitzenplätze aber für sich selbst. Audi baut für das XXL-Projekt sogar an. In einem rund 3000 Quadratmeter großen Neubau am Motorsport-Zentrum in Neuburg sollen vor allem neue Prüfstände für die Entwicklung der Antriebseinheit untergebracht werden. Damit schaffe man die «bestmöglichen Voraussetzungen, um in der Königsklasse des Motorsports erfolgreich zu sein», sagte Audi-Technikvorstand Oliver Hoffmann.

Baker berichtet Hoffmann von den Entwicklungsschritten. Aktuell wird die Power Unit entwickelt, Ende 2023 oder Anfang 2024 erarbeitet Audi gemeinsam mit Sauber das Konzept des neuen Formel-1-Fahrzeugs. 2025 steht der Testbetrieb an, ehe der Ernstfall 2026 mit dem Aufbau der Rennfahrzeuge eintritt.

«Der Druck von außen ist spürbar, wir haben ihn auch erwartet. Uns ist die Größe der Herausforderung bewusst», räumte Baker ein. «Wir können jetzt schon absehen, was wir leisten müssen, um 2026 erfolgreich zu sein. Deswegen ist der Druck, den wir uns bei Audi intern selbst machen, genauso groß.»

Martin Moravec, dpa